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Autor Christian Gloggengießer
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BEISPIEL 1 Med. Massage-Praxis: Falsche Verkaufsstrategie der alten Praxis
Nach 45 Berufsjahren wollte ein Masseur und med. Bademeister seine Med.-Massage-Praxis bestmöglich verkaufen. Um den Verkehrswert seriös zu erfahren, sagte seine Ehefrau, langjährige Rezeptionsleiterin der Praxis, wurde ein betriebswirtschaftlicher Unternehmensberater mit Erfahrungen im Dienstleistungssektor beauftragt: Nach dessen Berechnung sei eine Ablösesumme von 20´000 € für die Einrichtung und den Privatpatientenstamm gerechtfertigt.
Ich meldete mich dort als möglicher Käufer und erkannte gemeinsam mit einem MPM-Partner (Betriebswirt) beim Besichtigungstermin sofort Folgendes:
Geschäftsproblem
Die Praxis ist in den letzten Jahrzehnten niemals renoviert worden.
- Das Therapie-Inventar könnte aus einem Museum stammen.
- Die Therapieraum ist wie vor 20 Jahren durch Plastik-Vorhänge in "Einzelzelte" aufgeteilt. Aufgrund der Schweigepflicht ist durchwegs als Hintergrundmusik ein Radioprogramm in allen Räumen zu hören. Man flüstert also mit dem Patienten, damit der Nachbarpatient nichts Persönliches mithören kann.
- Überall stehen Pflanzen in Töpfen mit normaler Erde herum: Ein hygienisches No-go!
- Die holzverschalten Zimmerwände haben Fugen: Bereits nur ein langgezogener Strich darüber mit dem Zeigefinger erzeugt eine schwarz-verstaubte Fingerkuppe! Alle Räume riechen deshalb auch verstaubt veraltet.
- Ein "Zelt" für eine Physiotherapie gibt es nicht, davon hält "der Chef" nichts.
- Aber im Gruppenraum stehen drei moderne sündteure Trainingsgeräte, die sicherlich geleast sind. Wozu hier in dieser musealen Praxis!?
Lösungsprozess
Wir fragten beide nach kurzen Beratungsminuten: Wofür sollen diese 20´000 € Ablöse sein?
Die blitzartige Antwort war: Ja, natürlich für die Einrichtung und den Privatpatientenstamm.
Wir wollten die Kaufverträge aller Großgeräte und den Umsatz der letzten Monate aus Leistungen für Privatpatienten und Selbstzahler schriftlich sehen. Das wurde abgelehnt.
- Die veraltete Einrichtung war Sperrmüll.
- Privatpatienten übernimmt man nicht so selbstverständlich, weil sie selbst entscheiden, wen sie für diese sehr persönlichen individualisierten Dienstleistungen aussuchen.
- Die verordnende Ärzteschaft ist viel wichtiger. Aber darüber wurde nicht aufgeklärt.
> Die vielleicht wirklich von der Unternehmensberatung berechnete Ablösesumme ist folglich unrealistisch. Sie war auch nicht verhandelbar.
Nach unserer Einschätzung würde deshalb niemand jemals die Praxis übernehmen.
Erfolg - nur unsererseits wegen der richtigen Beurteilung der Situation
Wir fuhren nach Hause und erdachten Möglichkeiten für diese uralte Praxis.
- Begegnungszentrum
- Schulungszentrum
- Yoga-Treffpunkt
- Ausstellungsräume
- u. ä. m.
Wir sendeten den Inhabern einige Seiten mit unseren Kommentare und Ideen zu ihrer Praxis postalisch per Einschreiben zu, baten unsere Hilfe beim Verkauf und auch bei einer möglichen Neugründung an. Wir bekamen nicht einmal die Antwort, ob sie unsere Post ordentlich erhalten hatten.
Ein Jahr später besuchte ich die Gegend mit dem großen Haus mit dem Praxisteil:
Das war noch immer bewohnt. Die Praxis jedoch war mit Fenstervorhängen verdunkelt und ein handgeschriebenes Schild hing an der Tür: Praxis wegen Aufgabe geschlossen
Unsere Beurteilung bestätigte sich somit.